„Razzia in Behinderteneinrichtung“ titelte der Deutschlandfunk (Anmerk.: Hier ein Bericht des ZDF) am 1. Oktober 2019 und berichtete über die polizeiliche Durchsuchung einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung in NRW. Grund hierfür war der Verdacht, dass in dieser Bewohner*innen „ohne richterlichen Beschluss im Zimmer eingeschlossen und fixiert worden seien“.
Doch solch Meldung ist leider kein Einzelfall. In Niedersachsen fordert bis heute ein Vater die Aufklärung der Umstände, die zum Tod seines Sohnes 2011 im Pflegeheim eines kirchlichen Trägers führten.

Der Fall wurde zu den Akten gelegt, seit dem steht der Vater mit seinen Flugblättern in der Fußgängerzone, allmählich vergessen.
Erst kürzlich hat eine renommierte Person aus dem Kreis der Behindertenrechtsaktivistin*innen auf einer Tagung von jenem kirchlichen Träger gesprochen.
Wie kann es sein, dass Vertreter*innen jener Community, die oftmals die Abschaffung jener „Sondereinrichtungen“ fordert, mit eben jenen kooperiert?
Weil eben nicht alle und alles immer schlecht ist. Und vor allem, weil für viele Menschen mit Behinderung jene Einrichtungen eben nun einmal wesentlich sind. Behinderteneinrichtungen, dass sind z.B. Pflegeheime, Berufsbildungswerke, Behinderten- oder Kunstwerkstätten.

Verkürzt gesagt: Diese Einrichtungen übernehmen häufig die Arbeit, für die der Staat ungenügend aufkommt und dies fraglos mit manch löblichen Anspruch. Doch auch eine Behinderteneinrichtung ist unweigerlich an wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse gebunden. Dies schafft offenbar nicht nur Synergieeffekte.
Ich, Steven, interviewe und porträtiere, seit geraumer Zeit Künstler*innen mit Behinderung und traf diesbezüglich eigentlich den Künstler Martin Grobecker. Hier geht es zu seinen Arbeiten, also hier!
Doch obwohl wir einst beide eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk für Menschen mit Behinderung absolvierten, erzählte mir Martin , dass er eigentlich gar nicht behindert sei.
Grund genug für uns für einen Audiowalk in die Vergangenheit dieser Einrichtungen zu reisen, über Ableismus und Sexismus am Ausbildungsplatz, über Neonazis im Wohnheim, Selbsttmorde und Perspektiven auf den ersten Arbeitsmarkt sprechen. Hier der gesamte Audiowalk:
Eine Behinderteneinrichtung bleibt scheinbar ein Dilemma, ne? Darum kann es nur heißen, „fight the game not the players“, oder? Was macht da die Ambivalenz mancher Behindertenrechtsaktivist*innen in dem Ganzen? Bräuchte es nicht eine konsequentere Haltung seitens Menschen mit Behinderung gegenüber jenen Einrichtungen? Und inwieweit spielt die eigene Perspektive, die eigenen Privilegien bei jener Analyse und Diskussion eine Rolle?
Unter anderen zu diesen Fragen, sollte die Community mit Behinderung nach zehn Jahren UN-Behindertenrechtskonvention allmählich gemeinsam Positionen beziehen, damit Inklusion tatsächlich praktisch wird, oder?
Text: Martin Grobecker & Steven Solbrig
Audiowalk und Fotos: Steven Solbrig
Musik: „Ein Sonntag (Im) Heim“ (Steven Solbrig, 2003)

